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Niederbayern >> Donnerstag, 09. November 23

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Hier gedenkt Passau der Opfer des Nationalsozialismus. Die verlorene Trauerweide links vom NS-Mahnmal mal soll nachgepflanzt werden. (Foto: mediendenk)
Am Platz der Opfer des Nationalsozialismus

Passau gedenkt der Reichspogromnacht

Geschichte wach zu halten, ist in diesen Tagen wichtiger denn je.

„So hat es damals auch angefangen. Ich bin nicht überrascht, nur enttäuscht und traurig“, sagt Margot Friedländer, 102 Jahre alt, heute in einem Beitrag des Morgenmagazins. Sie hat am eigenen Leib erfahren, wie die Nazis Jagd auf Ihresgleichen machten. Mit 23 wurde die Jüdin gefangen genommen. Sie gehört zu den zwei Prozent der Insassen, die das Konzentrationslager Theresienstadt, zwischen Dresden und Prag gelegen, überlebten.

Heute um 11.30 Uhr hat die Passauer Gesellschaft dem entsetzlichen Auftakt von Verfolgung und Massenermordung der jüdischen Menschen, der Reichspogromnacht gedacht. Die Schülerschaft des Gymnasiums Leopoldinum gestaltet die Veranstaltung am NS-Mahnmal an der Innpromenade. Sie erinnert an das Schicksal der Passauer Jüdin Sophie Hartl, die 1944 nach Theresienstadt gebracht werden sollte. Ihr katholischer Ehemann hatte sich stets schützend vor sie und die Kinder gestellt. Die Familie wohnte zeitweise in einem Haus an der Kapuzinerstraße, in dem zuvor Hitler seine Kindheit verbracht hatte. Sie mussten ausziehen, als das Haus 1933 zur Hitler-Kultstätte, die Straße nach der Mutter des Führers in Klara-Hitler-Straße umbenannt wurde.

Was geschah in der Reichspogromnacht? Vor 85 Jahren, in der Nacht vom 9. auf 10. November 1938, hatten NS-Schergen in Deutschland einen fanatischen Angriff auf jüdische Einrichtungen, Geschäfte und Menschen verübt. Im Bundestag tritt heute bei der Gedenkfeier Margot Friedländer auf.

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OB Dupper, Hut in der Hand, Rabbiner Mioitt, Kippa, bei der Kranzniederlegung. Im Hintergrund, große Hornbrille, Bundestagsabgeordneter Andreas Scheuer. (Foto: mediendenk)
Oberbürgermeister Jürgen Dupper hat im Namen der Stadt am NS-Mahnmal einen Kranz niedergelegt. Rund 200 Vertreter der Passauer Gesellschaft sind versammelt. Bei der Gedenkfeier im Vorjahr ist diese Fläche am südlichen Ende der Theresienstraße als "Platz der Opfer des Nationalsozialismus" beschildert worden. Eine der beiden mächtigen Trauerweiden, die das Mahnmal einrahmten, wurde diesen Sommer durch eine Orkanböe entwurzelt. Die Nordseite des Platzes ist während der Feierstunde erstmals geschmückt mit einer Flagge Israels. Der Rabbiner Mendel Murati von der israelitischen Kultusgemeinde Straubing stimmt nach der Rede des Oberbürgermeisters ein Totengebet für die Opfer an.

Diese Tag stehe vor dem Hintergrund des "sadistischen Terroraktes" der Hamas, hat OB Dupper seine Rede begonnen. Das Massaker vom 7. Oktober und sein unfassbarer Blutrausch stellten eine neue Dimension dar. Er spricht die verstörenden Reaktionen an, die es mancherorts gab. "Wer glaubt die herrschende Toleranz für Intoleranz nutzen zu können, muss Konsequenzen tragen", sagt der SPD-Politiker. "Nie wieder!", dieser Wahlspruch der Vergangenheit sei in den letzten Wochen gründlich widerlegt worden. Alte und neuen Nazis stünden plötzlich in einer Reihe mit "Fridays for Future International". Auch und gerade an Hochschulen und in der Kunst und Kultur hätten sich Abgründe aufgetan.

Vor der Gedenkfeier haben die Mitwirkenden der Jugend an den Stolpersteinen in der Ludwigstrasse und der Nikolastrasse innegehalten, um an das Schicksal jüdischer Passauer Familien zu erinnern. Um 18 Uhr laden katholische und evangelische Jugend und der Stadtjugendring zu einem Stadtrundgang ein, der die lokalen Ereignisse der Judenverfolgung aufgreift.

In den letzten Jahren ist es immer wieder vorgekommen, dass unbekannte und ermittelte Täter, darunter judenfeindliche Zuwanderer, den städtischen Blumenkranz am Gedenkstein gestohlen und im Fluss versenkt haben. Am Vortag hat der Bauhof eine Videoüberwachung installiert, die vom Stadtrat beschlossen worden ist.

 

hud