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Passauer Land >> Sonntag, 20. November 05

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Andreas Scheuer begann seine Karriere 1998 als Wahlkampfhelfer bei Ministerpräsident Stoiber. Hier präsentiert er ihm seine tschechische Doktorarbeit.
Titelmissbrauch

Staatsanwalt prüft Doktortitel von jungem Passauer Bundestagsabgeordneten

 Die Staatsanwaltschaft prüft gerade, ob der Passauer Bundestagsabgeordnete Andreas Scheuer (31) seinen Doktortitel zurecht trägt. Wenn nicht, dann droht ihm ein Strafverfahren wegen Titelmissbrauchs.

Der junge CSU-Bundestagsabgeordnete Andreas Scheuer und sein schneller Doktortitel aus Tschechien sorgen für Verwirrung und Gesprächsstoff in seiner Heimatstadt Passau. „Hat er sich den akademischen Grad redlich erworben?“, wunderte sich bereits Lokalredakteur Helmuth Rücker (Passauer Neue Presse 13.08.05) in einer Kolumne.

Mediendenk-Reporter Matthias Gieselmann stieß bei seinen Recherchen an der Uni in Prag und beim Ministerium in München auf Ungereimtheiten. Ergebnis: Der Abgeordnete darf sich mit seinem Auslandsabschluss in Bayern nicht „Dr.“ nennen.

Mit dem kniffligen Fall beschäftigt sich nun die Staatsanwaltschaft. „Auch wir haben ihn zur Amtseinführung unseres neuen Dienstleiters mit der Anrede „Dr.“ eingeladen“, bestätigt Oberstaatsanwalt Joachim Peuker auf Anfrage. „Wir lassen das Material gerade sammeln und brauchen die Antwort vom Ministerium in München, die wir bereits mündlich haben, noch schriftlich“, sagt er.

Sollte nach dieser Prüfung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, müsste seine Behörde den Bundestag bitten, die Immunität des Politikers aufzuheben. „Aber das geht in der Regel in solchen Fällen problemlos“, so Peuker.

Fest steht: Der CSU-Aufsteiger Scheuer, dessen Karriere 1998 als persönlicher Wahlkampfhelfer von Ministerpräsident Stober begann,  trat im Bundestagswahlkampf  2005 mit einem Doktortitel an. Er erklärt auf seiner Internetseite, er habe 2004 an der traditionsreichen Prager Karls-Universität als erster deutscher Absolvent des Politiklehrstuhls promoviert. Das „Dr.“ stand auf dem Wahlzettel, mit „Dr. Scheuer“ unterschreibt er sein erstes Buch, unterzeichnet er Lebensläufe und Internetauftritte. Auch seine Sekretärin in Berlin meldet sich mit „Büro Dr. Scheuer“. Auf der Bundestagsseite nennt er sich Dr. Andreas Scheuer, verschweigt aber, wann und wo er promoviert hat.

Der "kleine Doktor" aus Tschechien

Was hat Scheuer in Prag nun erworben? Sein ehemaliger Prager Professor Rudolf Kučera (58) erklärt, Scheuer habe mit seiner Arbeit „Die politische Kommunikation der CSU im System Bayerns“ den sogenannten „Doktor filozofie“, kurz PhDr. erworben. Für diesen Grad gibt es kein deutsches Pendant und er kann vergleichsweise einfach, innerhalb eines Jahres, erworben werden. Ein vollwertiger Doktortitel, der berühmte „Dr.“, benötigt zwischen drei und fünf Jahren und bedeutet weit mehr Aufwand.

„Wir nennen den PhDr. den ,kleinen Doktortitel´“, sagt Barbara Köpplova, Prodekanin der sozialwissenschaftlichen Fakultät in Prag, an der Scheuer seine Arbeit geschrieben hat. „Der PhDr. macht sich im Lebenslauf einfach besser als ein einfacher Abschluss als Magister.“ PhDr.-Doktoranden müssen an der Universität nicht einmal eingeschrieben sein.

„Über das Studium in Prag kann ich nur Bestes berichten: Flache Hierarchien, wenig Bürokratie, sehr gute Erreichbarkeit des Doktorvaters...“, schreibt Scheuer im Vorwort seines Buches.

Johann Radlinger vom Bayerischen Bildungsministerium, im Referat für Studienprüfungswesen Experte für Osteuropa, kennt diesen schnellen Abschluss, den es nur in Tschechien und der Slowakei gibt und erklärt: „Zuhause im Wohnzimmer darf er sich mit diesem Abschluss gerne als Doktor bezeichnen. Sobald es öffentlich geschieht, liegt ein Straftatbestand vor. Mit einem tschechischen PhDr darf man sich in Bayern nicht Dr. nennen“. Der in Tschechien erworbene Titel dürfe nur so geführt werden, wie er in der verliehenen Urkunde angegeben ist: „Doktor filozofie“ oder „PhDr.“

Bei Missbrauch Geldstrafe oder Gefängnis

Das Anerkennungsverfahren für ausländische Titel, so Radlinger, habe der Gesetzgeber abgeschafft. Jeder müsse nun eigenverantwortlich prüfen, was erlaubt ist und was nicht.

Mit akademischen Titeln aus dem Ausland nimmt es das Bildungsland Bayern sehr genau. Das fälschliche Tragen stellt nach Auskunft des Ministeriums nach Paragraph 132a des Strafgesetzbuches ein Vergehen dar, das mit Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr geahndet wird.

Andreas Scheuer sagte auf die Frage, warum er sich "Dr." nennt: „Der tschechische Titel ist doch der deutsche Dr. Phil.. Ich habe sauber gearbeitet und bin stolz auf mich. Ich habe ein 300-seitiges Buch veröffentlicht und brauche mich nicht zu verstecken.“ Hat Scheuer sich erkundigt, ob er sich „Dr.“ nennen darf? „Ich habe mich beim Ministerium erkundigt, allerdings weiß ich nicht mehr bei wem, ob ich eine Nostrifikation (Anm. d. Red.: Anerkennung für im Ausland erworbene Titel) brauche. Das ist verneint worden.“ Welchen Titel er mit seiner tschechischen Urkunde führen darf, erkundigte er sich offenbar nicht.

Hat Scheuer sich auf dünnem Eis bewegt, weil er bei der Bundestagswahl Ansehen und Vertrauen erwecken wollte?

Sein Gegenspieler im parteiinternen Kampf um das Direktmandat war der langjährige Abgeordnete Dr. Klaus Rose (63), der seinerzeit an der Uni München promovierte. Er mußte wegen des jungen CSU-Aufsteigers abdanken. Von Mediendenk befragt, sagte er: „Scheuer saß bei mir im Berliner Büro und ich habe mitbekommen, dass er Kontakte nach Prag pflegte. Dass es um seine Promotion ging, hat er mir lange verschwiegen“, sagt Rose. Später habe er ihm geholfen, seine Veröffentlichung Korrektur zu lesen. Der junge Scheuer habe von seiner politischen Zukunft genaue Vorstellungen und sich ihm gegenüber geäußert, 2010 werde er Landesgruppenleiter und später vielleicht sogar Bundeskanzler.

Rose: „Wenn wir ihn darauf ansprachen, dass er doch erst einen Beruf erlernen oder sich fürs Volk verdient machen müsse, sagt er: Wieso, ich habe schon was erreicht und meinen Doktor gemacht“.

Matthias Gieselmann

 
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