
· | Niederbayern >> Monday, 10. November 25
Es geht um U-Bahn und S-Bahn, nicht um das StadtbildWarum die Jugendstudie aus München keine Bestätigung für die Merz-Entgleisung zum „Stadtbild“ liefert? Der Kreisjugendring München hat 12.000 junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren befragt – zur Sicherheit im Münchner Nahverkehr, vor allem nachts. Das Ergebnis ist eindeutig: 95 Prozent fühlen sich tagsüber sicher. Nachts sinkt das Sicherheitsgefühl bei jungen Frauen auf 54 Prozent. Drei von vier meiden U- und S-Bahn nach Einbruch der Dunkelheit. Mindestens ein Viertel hat dort bereits sexuelle Belästigung erlebt. Das ist ein konkretes Problem im MVV, nachts, in Fahrzeugen und Stationen. Es hat mit Nähe, mit fehlendem Begleitpersonal und oft mit Alkoholsituationen zu tun – das bestätigen Fahrgäste und Bahnpersonal. Die Grünen-Politikerin Katharina Schulze fordert deshalb mehr Sicherheitspersonal und ergänzende Angebote wie Rufbusse und Taxigutscheine. Solange sie beim Nahverkehr bleibt, folgt das der Studie. Wo sie von „öffentlichem Raum“ und „Straßenbeleuchtung“ spricht, verlässt sie den Untersuchungsrahmen. Der eigentliche Fehltritt kommt an anderer Stelle: Der PNP-Vizechefredakteur Alexander Kai schreibt, die Studie zeige, „die Stadtbild-Debatte von Friedrich Merz war doch nicht so falsch.“ Nein. Diese Studie sagt nichts über Straßen, Plätze oder Parks. Sie sagt nichts über Bayern insgesamt. Sie untersucht das Sicherheitsgefühl in U- und S-Bahn. Punkt. Wer daraus eine Bestätigung für Merz’ These über „veränderte Stadtbilder“ bastelt, verwechselt zwei völlig verschiedene Räume. Wer das vermischt, schafft keine Klarheit, sondern Stimmung. Ich habe mir angewöhnt, in U- und S-Bahnen das Gespräch zu suchen. Nicht, um „Mut“ zu zeigen, sondern um das Stadtbild zu sehen, wie es ist. In der Berliner S-Bahn sitzt neben mir ein junger Mann aus dem Jemen, ihm gegenüber seine Freundin, eine Kopftuch tragende Muslima. Er ist 2020 vor Krieg, Verfolgung und entwürdigenden Lebensbedingungen geflohen. Die Aussicht für Menschen aus dem Jemen als Schutzsuchende anerkannt zu werden und bleiben zu dürfen, liegt bei etwa 50 Prozent. Er hat in Frankfurt Mikrobiologie studiert und arbeitet heute in einem Labor in Cottbus. „Es geht um Qualitätskontrolle in der Pharmaindustrie, bei Antibiotika“, sagt er. Sie wohnen in einem Zwei-Zimmer-Appartement, 550 Euro warm. Er fragt, ob er ein Jobangebot in Ravensburg annehmen soll. Er spricht es nicht aus, aber er möchte wohl wissen, wie aufgeschlossen Menschen in kleineren Städten gegenüber Fremden sind. Wir unterhalten uns darüber, dass das deutsche Gesundheitssystem, vom Labor bis zur Altenpflege, ohne Zugewanderte wie ihn nicht mehr funktionieren würde. An einer Bushaltestelle im südlichen Brandenburg treffe ich einen anderen. Afghanistan, Jahrgang 2002, geflohen 2016. „Als die Taliban unser Dorf überfielen, bin ich einfach den anderen hinterhergelaufen.“ Iran. Türkei. Balkanroute. Deggendorf, zentrale Erstaufnahmestelle. Fünf Jahre in einer Sammelunterkunft, ein Zimmer mit zwei anderen, warten auf die Entscheidung über den Aufenthaltstitel - und auf den Ausbildungsplatz. Heute ist er 23, Lehrling in einer Kfz-Werkstatt, hat eine kleine eigene Wohnung, zahlt Steuern. „Es wird schlimmer mit den Anfeindungen“, sagt er. Dass es ihn ausgerechnet in eine AfD-Hochburg verschlagen hat, findet er "weniger schlimm". Die Rückkehr in sein Geburtsland, das er als Kind vor fast zehn Jahren verlassen hat, wäre für ihn wohl das unvorstellbar Entsetzlichere. Das ist das wirkliche Stadtbild. Menschen, die hier leben, arbeiten, pendeln, hoffen. Die nachts in denselben Zügen sitzen. Die Teil dieser Städte sind. Wer sie „Stadtbildstörer“ nennt, verwechselt Bevölkerung mit Bedrohung. Und wer eine Nahverkehrsstudie nutzt, um diese Stimmung zu bestätigen, verwechselt Daten mit Erzählung. Die ernsthafte Frage bleibt einfach: Wie geben wir jungen Frauen nachts in U- und S-Bahn Sicherheit? Alles andere ist Geräusch über Menschen hinweg. Hubert Jakob Denk
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